Wie freiwillig diese Umsiedlungsaktion war, geht schon aus dem obigen Text des Aufrufes an die “deutschen Volksgenossen” hervor, denn dort heißt es: “Wir stehen unter dem Befehl unseres Volkes. Wer sich in diesen Tagen von
seiner Volksgruppe löst, um im Lande zu bleiben, scheidet sich für alle Zeiten vom deutschen Volke. Er muß das wissen, denn sein Entschluß gilt für Kinder und Kindeskinder. Und er ist nicht rückgängig zu machen.” Trotz dieser schon fast einer Nötigung gleichkommenden Aufforderung blieb eine nicht unerhebliche Zahl von Baltendeutschen im Land. So kam es im Frühjahr 1941 - Lettland und Estland waren inzwischen Teil der Sowjetunion geworden - auf Grund eines deutsch-sowjetischen Vertrages
zur sog. “Nachumsiedlung”. Da genaue Zahlen fehlen, lassen sich nur näherungsweise Angaben zur Nachumsiedlung der Baltendeutschen machen. Von den vermutlich rund 17.500 Nachumsiedlern (rund 10.500 aus Lettland und rund 7.000 Menschen aus Estland) waren nur etwa die Hälfte, bei denen die deutsche
Volkszuge- hörigkeit angenommen werden konnte. Somit ist nach den o. g. Zahlen davon auszugehen, dass 1939 und 1941 insgesamt etwa 73.450 Personen (davon aus Lettland : 56.250 , aus Estland : 17.200) umgesiedelt wurden. Vergleicht man diese Zahlen mit den Ergebnissen der Volkszählung von 1897, wonach etwa 166.000 Personen mit deutscher Muttersprache in den drei russischen Ostseeprovinzen, die in etwa das Gebiet der späteren Republiken Lettland und Estland umfassten, lebten, so zeigt sich eine beträchtliche Differenz, die nicht allein auf statistische Mängel zurückzuführen ist. Vielmehr ist sie auch durch die Tatsache zu erklären, dass als Folge des 1. Weltkrieges und den damit verbundenen tiefgreifenden politischen und sozialen Umwälzungen sehr viele Deutschbalten ihre Heimat schon vor 1939 verlassen hatten.(2) Die 1939 und 1941 umgesiedelten Deutschbalten sind somit nur die “Nachhut” einer Volksgruppe, die zwar im Baltikum immer eine Minderheit (lt. Volkszählung 1897 in den 3 russ. Ostseeprov. 7% der Gesamtbevölk.), aber dennoch seit ihrer Ankunft im 12. Jahrhundert bis zum 1. Weltkrieg stets die gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch dominierende Schicht gewesen war. Mit der ”Nachumsiedlung” 1941 wurde die 750-jährige Geschichte der Deutschbalten im Baltikum beendet. |