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 Kurland und  die Deutschbalten / Baltendeutschen  vor 1914

Materialien zur Geschichte und Genealogie der Deutschbalten / Baltendeutschen  in Kurland

Kurland - Wappen

- zusammengestellt von Herbert Becker

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Wappen von Kurland
Zeichnung von Carl Meißner,
 Das schöne Kurland, 1917

Wappen der Deutschbalten
Glasfenster (Ehrenfenster)
 im Brömsehaus. Lüneburg

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Deutschbalten - Wappen

Während meiner Arbeiten zum > deutschbaltischen Kaufmannsstand in Kurland und durch zahl- reiche Anfragen, die ich zur Geschichte und Genealogie der Deutschbalten  in Kurland erhielt, wurde mir deutlich, dass offenbar ein erhebliches  Interesse an weiteren Informationen zu dieser Thematik besteht. Das mag auch daran liegen, dass viele genealogische Zusammenhänge und Biografien von Deutschbalten in Kurland ohne geschichtliche Grundkenntnisse nicht ganz zu verstehen sind. Deshalb beabsichtige ich, hier nach und nach einige Materialien ( z. B. Personen- und Ämterverzeichnisse, Statistiken, Karten) zu veröffentlichen, die auch das Umfeld, in welchem die Deutschbalten vor 1914 in Kurland lebten, etwas näher beleuchten sollen.

Es geht hier um die Zeit zwischen 1561 und 1914, in der Kurland nach der Auflösung Alt- Livlands ein relativ unabhängiges polnisches Lehensherzogtum und nach 1795 Teil des Russischen Kaiserreiches  mit beschränkter innerer Selbstverwaltung wurde. Zwar war Kurland rechtlich-formal bis zum > Frieden von Brest-Litowsk (1918) ein Teil Russlands, doch bedeutete der Beginn des Ersten Weltkrieges (1914) ganz besonders für die Deutschbalten das Ende einer Epoche. Die dazu in den folgenden Webseiten vorgelegten Materialen betreffen vor allem den Zeitraum zwischen 1795 und 1914, in welchem Kurland neben Est- und Livland eines der drei russischen Ostseeprovinzen gewesen war. Diesen zeitlichen Schwerpunkt habe ich gewählt, weil die meisten Anfragen zu meinen genealogischen Veröffentlichungen sich auf das 19. Jh. bezogen. Hinzu kommt, dass für Kurland erst seit 1795 einigermaßen aussagefähige Bevölkerungsstatistiken vorhanden sind.

Kurland ist heute unter dem lettischen Namen Kurzeme der südwestliche Teil der Republik Lettland.  Die Geschichte Kurlands wurde durch die geografische  Lage dieses Landes bestimmt. Wie aus der Karte unten ersichtlich ist, liegt Kurland an der Ostsee, ungefähr im Grenzbereich zwischen Ost-, Nord- und Mitteleuropa. Die unmittelbare Nähe Kurlands zur Ostsee und zu Russland waren entschei- dend für die Geschichte der Deutschbalten, oft auch als Baltendeutsche bezeichnet. So kamen die Deutschbalten seit dem Mittelalter vor allem auf zwei Wegen nach Kurland: Zunächst vorwiegend über die Ostsee (insbesondere Kaufleute) und später (als der Landweg weniger gefährlich und nicht ganz so schwierig war) mehr über Ostpreußen. Viele von ihnen wanderten im 19. Jh. ins Innere Russlands.

Nicht nur durch die Abgrenzung zwischen den Deutschbalten und der lettischen Bevölkerungs- mehrheit, sondern auch durch die schroffen ständischen Gegensätze innerhalb der Deutschbalten stellte Kurland im Vergleich zu den beiden anderen baltischen Ländern (Liv- und Estland) eine Besonderheit dar. In Kurland galt, wie der deutschbaltische Rechtshistoriker Oswald Schmidt in Anlehnung an einen Ausspruch von Rousseau meinte: “Der Adel Alles, der Fürst nichts, die Städter weniger als nichts.”(1) Auch unter russischer Herrschaft hatten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse  in Kurland bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jhs. hinein nur wenig verändert.

Die Deutschbalten waren in Kurland sowie in Liv- und Estland stets nur eine kleine Minderheit. Laut russischer Volkszählung von 1897 (> Tabelle 1) betrug die Anzahl der Personen, die Deutsch als ihre Muttersprache angaben in:

Kurland :  51.017 = 7,57 %,
           Livland :  98.573 = 7,57 %,
           Estland :  16.037 = 3,90 %,
           Zus.     : 165.627 = 6,94 % der Gesamtbevölkerung.

Jedoch in den Städten waren die Deutschbalten weit stärker vertreten. So betrug der %-Anteil der Deutschbalten an der Gesamtbevölkerung in den Städten des Gouvernements Kurland 1797 (2):  

Wappen des Gouvernements Kurland

Wappen
des Gouvernements Kurland

Windau

90,8

Grobin

85,6

Libau

78,3

Goldingen

73,0

Pilten

69,5

Bauske

54,4

Friedrichstadt

53,9

Mitau

50,4

Hasenpoth

39,8

Jacobstadt

24,2

  Obwohl die Deutschbalten - mit Ausnahme der Städte - nur einen geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung hatten  und trotz seit Mitte des 19. Jhs. zunehmender “Russifizierung” der russischen Ostseeprovinzen (Liv-, Est- und Kurland) waren sie dort - als Bürger in den Städten und großgrundbesitzender Adel auf dem Lande - die im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben  maßgebende Bevölkerungsschicht. Diese zu jener Zeit schon fast anachronistischen Verhältnisse herrschten sowohl in Kurland als auch, obgleich nicht ganz so ausgeprägt, in den beiden anderen baltischen Gouvernements. Zutreffend erklärte noch 1875 der livländische Landrat Arthur von Richter, dass die Ständegesellschaft der russischen Ostseeprovinzen “in der europäischen Welt eine Anomalie” darstellten.(3) Schon deshalb dürfte die Sozialgeschichte der Deutschbalten in Kurland von besonderem Interesse sein. Ich hoffe, dass die nach und nach zu ergänzenden Webseiten diesem Interesse entsprechen werden.

H.B.

Kurland , Livland und Estland im Ostseeraum um 1913 (4)

Kurland , Livland und Estland um 1913

Zur Karte von Kurland (kleinerer Maßstab) > hier

Anmerkungen
(1) Oswald Schmidt: Rechtsgeschichte Liv-, Est und Curlands. Dorpat 1894 (Ndr. 1968), S.228.
(2) Arthur Hoheisel: Die Bevölkerung Kurlands im Jahre 1797. In: Zeitschrift für Ostforschung,
     31. Jg. (1982), S. 553. Der o. g. ungefähre Anteil der Deutschbalten an der Gesamtbevölkerung
     in den Städten des Gouvernements Kurland wurde von Hoheisel durch Auswertung der im
     J. G. Herder-Institut archivierten russ.”Seelenlisten” (Steuerlisten) ermittelt-
(3) Reinhard Wittram: Baltische Geschichte. Darmstadt 1973, S. 211.
(4) Ausschnitt aus: Andrees Allgemeiner Handatlas, 6. Aufl., Bielefeld und Leipzig 1914,
      Verkehrskarte (33/34), bearb. von Herbert Becker.

> Die Deutschbalten / Baltendeutschen in den russischen Ostseeprovinzen 1897

> Die Deutschbalten und die Stände in Kurland laut Volkszählung 1897

> Gliederung der Bevölkerung in Kurland nach Ständen 1854

> Kurland : Bevölkerung, gegliedert nach Ständen und Nationalitäten 1797

> Personen des öffentlichen Lebens (insbes. Deutschbalten) in Kurland um 1845

> Deutschbalten (Kaufleute) in Kurland 17.-19. Jh.  (Verzeichnis A-Z)

> Kurland : Deutschbaltische Kaufmannsfamilien *

> Die Kaufmannsgilde zu Libau in Kurland im 18.- frühen 19. Jh. *   

* Die beiden zuletzt gesetzten Links führen zu den Online-Fassungen der Beiträge, die Herbert Becker zur Geschichte und Genealogie der Deutschbalten in den Herold-Jahrbüchern (hrsg. im Auftrage des HEROLD, Verein für Heraldik,  Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin - gegründet 1869)  N . F. 5 (2000),  S. 9-16 und N. F. 10 (2005), S. 9-41 veröffentlichte.

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