Libau / Kurland : Waisenhaus |
Das Witte und Hueckesche Waisenhaus zur Wohlfahrt der Stadt Libau - so hieß eine der wichtigsten sozialen Einrichtungen in Kurland. Darüber hinaus hatte das Waisenhaus in Libau auch erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung.(1) Gegründet wurde das Waisenhaus von den beiden Libauer Kaufleuten Anton Witte und Lorenz Joachim Huecke (II.).(2) Beide hatten sich 1779 testamentarisch gegenseitig zu Universalerben bestimmt, wobei nach dem Tode des Überlebenden der weitaus größte Teil ihres beträchtlichen Vermögens zu einer wohltätigen Stiftung verwandt werden sollte. Nachdem hierzu 1782 die Stiftungsurkunde für ein Waisenhaus unterzeichnet wurde und 1797 der letzte der beiden Stifter gestorben war, erfolgte 1798 die staatliche Bestätigung. Gemäß den Bestimmungen der Stifter wurde das Waisenhaus von 9 Direktoren verwaltet, nämlich Die ersten Direktoren des Waisenhauses waren 1798/99 (mit Amtsdauer) (3): : Gemäß Stiftungsurkunde konnten als Zöglinge in das Waisenhaus sowohl Voll- als auch Halbwaisen aufgenommen werden, wenn sie Söhne Libauer Bürger der Großen oder der Kleinen Gilde waren und das 7. Lebensjahr vollendet hatten. Hierbei sollte die Zahl der Zöglinge möglichst auf 24 beschränkt bleiben, und zwar jeweils 12 von der Großen und Kleinen Gilde. Auch sollten bei der Aufnahme zunächst die “ärmsten Bewerber” berücksichtigt werden. Mitunter gehörten zu den Zöglingen auch Familien- angehörige der Direktoren. So waren z. B. vom Direktor und Stadtältesten der Großen Gilde, > Johann George Heinrich Becker , dessen Sohn, > Lorenz Friedrich Becker , und dessen Neffe, > Diedrich Eduard Becker , Zöglinge des Waisenhauses. Nach dem Willen der Gründer sollte das Waisenhaus dazu dienen, “die Zöglinge bis zum vollendeten 15. Lebensjahr, wo sie konfirmiert werden, zu verpflegen, zu beklei- den, mit Lebensmitteln zu versehen, sie auf christlich religiöser Grundlage mit Kenntnissen und Fertigkeiten auszurüsten, die sie dazu befähigen, brauchbare, nützliche und ehrsame Glieder der menschlichen Gesellschaft zu werden”(4). Zwischen 1798 und 1898 wurden insgesamt 587 Zöglinge in das Waisenhaus aufgenommen. Hiervon waren 530 später in folgenden Bereichen tätig: |
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Da Libau die wichtigste See- und Handelsstadt in Kurland war, ist es verständlich, dass bei den späteren Tätigkeitsbereichen der Zöglinge besonders der Kaufmannsberuf und daneben auch verhältnismäßig stark die Seefahrt vertreten war. Den Beamtenberuf hingegen wählten nur wenige Zöglinge, was wohl damit zusammenhängt, dass nicht Libau, sondern Mitau als Hauptstadt des russischen Gouvernements Kurland Sitz zahlreicher Behörden war. So zog z. B. der oben erwähnte Zögling des Libauer Waisenhauses, > Lorenz Friedrich Becker, nach Mitau, wo er Titularrat wurde und in diesem Zusammen- hang den Adel erhielt. Vor allem aber zeigen die Lebensläufe vieler Zöglinge, dass sie durch ihre Ausbildung im Waisenhaus gute Chancen erhielten, um als Kaufleute weit über Libau hinaus erfolgreich wirken zu können. |
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