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Zur Geschichte von Libau / Kurland bis 1914 (Seite 4)

Überblick zur Topographie und Stadtentwicklung
Teil 3: Libau unter russischer Herrschaft  (1795-1914)

 1795 wurde Kurland Teil des Russischen Reiches, wobei jedoch die Selbstverwaltung des Landes und seiner Städte weitgehend erhalten blieb. Die anschließenden Jahrzehnte unter russischer Herrschaft waren, abgesehen von den Kriegsereignissen 1812, eine Zeit verhältnismäßiger Ruhe. Aus Gründen, die noch zu erörtern sind, stagnierte der Handel. Die Verhältnisse änderten sich fast schlagartig, als Libau 1871/73 an das russische Eisenbahnnetz und damit an ein riesiges Hinterland angeschlossen wurde. Nun kam es zu einem stürmischen Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung sowie zur territorialen Ausdehnung der Stadt. Hiermit verbunden war der Beginn der Industrialisierung und die Gründung der Libauer Börse (1880).

1877 wurde in Libau die russische Städteordnung eingeführt. Anstelle von Rat und Gilden trat eine nach dem Dreiklassenrecht gewählte Stadt- verordnetenversammlung. Der Stadtmagistrat blieb nur noch eine Gerichts- behörde, bis er durch die Justizreform (1889) ganz aufgehoben wurde,

Der weitere Ausbau des Handelshafens, der 1890 beginnende Bau eines Kriegshafens, die Aufnahme des regelmäßigen Schiffsverkehrs nach England und Amerika, wobei Libau zum größten Auswanderungshafen Rußlands wurde - alles das trug dazu bei, daß sich die Stadt immer schneller entwickelte. Libau wuchs, so meinte der baltische Historiker Leonid Arbusow,  “in ganz amerikanischer Weise”. >1<

Die eben skizzierte Entwicklung seit dem Anschluß Kurlands an Rußland spiegelte sich deutlich in der Bevölkerungsentwicklung Libaus wider >2< :  Zwischen 1797 und 1863 verdoppelte sich die Zahl der Einwohner in Libau. Nach der Gouvernementshauptstadt Mitau war Libau die zweitgrößte Stadt Kurlands. Die Volkszählung von 1881 ergab, daß Libau nach der Anbindung an das russische Eisenbahnnetz hinsichtlich seiner Bevölkerungszahl Mitau überholt hatte.

Zwischen 1863 und 1911 stieg die Einwohnerzahl Libaus auf mehr als das Achtfache (!), wobei sich der Abstand gegenüber Mitau immer mehr vergrößerte. Auch das Beispiel der Hafenstadt Windau zeigt, wie sehr zu jener Zeit Wirtschaft und Verkehr die Bevölkerungsentwicklung in den Städten Kurlands bestimmten.

Gleichzeitig veränderte sich erheblich die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung. Der deutsche Bevölkerungsanteil, der in Libau 1797 noch etwa 78% betrug, verminderte sich zwischen 1863 und 1911 von 63% auf weniger als 12%. Hingegen erhöhte sich im gleichen Zeitraum der Anteil der Letten von 16% auf 43%. Die Juden, die 1799 das Aufenthaltsrecht in Kurland erhielten, erreichten 1863 einen Anteil von 16%, der sich bis 1911 auf 12% verminderte.

Die Bevölkerungszunahme und der damit verbundene Rückgang des deutschen Anteils beruhten vor allem auf der beträchtlichen Zuwanderung von Letten, Polen, Litauern und - in kleinerem Umfang - von Russen, die seit den
70´er Jahren in der Wirtschaft Libaus Arbeit suchten. Sie zogen überwiegend in den nördlich vom Hafen gelegenen Stadtteil Neu-Libau und in die Wohngebiete  am Stadtrand. Die Deutschen hingegen lebten mehr in Alt-Libau, dem zentralen Bereich der Stadt. Das Erscheinungsbild Libaus war noch derart von den Deutschen geprägt, daß während des 1. Weltkrieges deutsche Soldaten den Eindruck bekamen, sich in einer deutschen Stadt zu befinden. >3<


Anmerkungen:

>1<    Leonid Arbusow, a.a.O., S. 275.

>2<    Zu den folgenden Zahlenangaben siehe:
           > Bevölkerungsentwicklung in Libau 1797-1911
           > Bevölkerungsgruppen in Libau 1797-1911

>3<   Führer durch Libau, a.a.O., S. 7.      

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